Demokratie in Gefahr

Demo für Demokratie Baiersdorf 2024, Foto: Bernd Langhans

Als die Athener nach der Tyrannenherrschaft vor rund 2500 Jahren dazu übergingen, Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss zu treffen, legten sie für die ganze Menschheit den Grundstein zur Herrschaft des Volkes, der Demokratie.

Menschenrechte, Frauenwahlrecht, Gewaltenteilung, Parlamentarismus und vieles andere für uns selbstverständliches musste danach noch errungen werden, bis wir das Privileg erlangten, heute in der besten aller bisher denkbaren Staatsformen leben zu können.

Die Demokratie ersetzt die Alleinherrschaft der Adligen und anderer Autokraten durch die Mitwirkungsmöglichkeit gleicher und freier Menschen an allen politischen Entscheidungen. Das ist durchaus mühsam, denn es erfordert die Bereitschaft zu konstruktiv-sachlicher Auseinandersetzung und den Willen aller Beteiligten, ein ausgewogenes Ergebnis zu erreichen. Diese Kompromissfähigkeit braucht den Respekt vor dem Gegenüber, die Achtung der anderen Meinung, ja Neugier darauf, außerdem eine friedfertige Gemeinschaft, die gefundene Lösungen toleriert, in der Einzelne also bereit sind, in begrenztem Umfang Nachteile in Kauf zu nehmen, wenn es dem Gemeinwesen dient.

Die Demokratie der Nachkriegszeit hat in unserer Gesellschaft für breite Bevölkerungskreise Chancen eröffnet auf Bildung, Gesundheit und Wohlstand durch Teilhabe an den Gewinnen einer prosperierenden Wirtschaft. Aufgrund dieses Erfolges durfte man noch in den 1990er Jahren hoffen, dass in immer mehr Staaten eine Entwicklung zur Demokratie bevorsteht.

Aber mit den Echokammern des Internets kehrte das Gespenst nationalistischer Hybris und anderer gruppenbezogener Überlegenheitswahn zurück und heute sind wir schon wieder soweit, dass extrem rechte Kreise dreist und unverhohlen das Ziel verfolgen, die Grundpfeiler unserer Demokratie zu zerstören. Angetrieben werden sie dabei vom Frust Unzufriedener, von der Wut vermeintlich Abgehängter und von Dauerempörten, die in den asozialen Medien hetzen und dabei ihren Egoismus über das Gemeinwohl stellen. Populisten fischen in der braunen Brühe und verbreiten reaktionäre, völkische Allmachtsphantasien und evidenzfreie Verschwörungstheorien. Wenn man sie entlarvt, stilisieren sie sich als Opfer und setzen darauf, dass die Rolle des Opfers unseren Verstand umgeht und direkt den Beschützerinstinkt anspricht.
In erschreckender Parallele zur berüchtigten Wannseekonferenz gipfelten die rechten Umtriebe zuletzt in einem Treffen bei Potsdam, wo vermeintlich Selbstermächtigte wie im Säuberungswahn über die Zwangsaussiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen schwadronierten.

Das gab es in Deutschland schon einmal. Die Nazis wurden 1933 demokratisch gewählt und bekämpften dann – wie die Rechtsradikalen heute – genau die demokratische Ordnung, die Ihnen den Griff nach der Macht erst ermöglichte. Das erscheint paradox, folgt aber aus dem demokratischen Prinzip, sogar extreme Meinungen zu tolerieren, auch wenn es schwerfällt. Die weit gesteckten Grenzen dieser Toleranz setzt dabei das Strafrecht.
Denn Aufrufe gegen unsere Verfassung, Rassismus, Hetze gegen Minderheiten sind keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten, die verfolgt werden müssen.

Aber auch außerhalb der Gerichte können wir uns zur Wehr setzen gegen Angriffe auf unsere Demokratie – natürlich mit demokratischen Mitteln: Zuhören, zugewandt diskutieren, faktenbasiert argumentieren, nüchtern analysieren und falls nötig, Mehrheiten für erforderliche Beschlüsse suchen – das sind die Mühen der Ebene.
In vielen Städten Deutschlands gingen zuletzt Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Umtriebe rechtsextremer und populistischer Politiker zu demonstrieren. Auch in Baiersdorf standen die Menschen am 18. Februar 2024 dicht gedrängt auf dem Rathausplatz – für die Demokratie.

Den Aufruf zur Kundgebung für die Demokratie in Baiersdorf unterstützten:
Erste Bürgermeisterin Eva Ehrhardt-Odörfer, Evang.-luth. Kirchengemeinde Baiersdorf, Katholische Pfarrgemeinde Baiersdorf, Diakonieverein Baiersdorf e.V., Hand in Hand Baiersdorf e.V., JOB Jugendorganisation Baiersdorf e.V., Bündnis90/Die Grünen Ortsverband Baiersdorf, SPD Ortsverein Baiersdorf, FWG Freie Wählergemeinschaft Baiersdorf e.V., JL Junge Liste Baiersdorf

Winfried Platz

Dieser Beitrag erschien erstmals in der “Storchenpost” Ausgabe 2 (April 2024).